Rammstein – ein anderes Wort für mehr oder weniger massentauglich wie medienwirksam inszenierten Tabubruch der plumpesten Art. Seit einiger Zeit zur Abwechslung auch aus deutschen Landen. Da wird auf „Herzeleid“ fromm, frisch, fröhlich, frei von Nekrophilie und anderen Spielereien erzählt, auf dem Nachfolger „Sehnsucht“ weiß man ganz unbekümmert von Analsex und Kindesmißbrauch zu berichten (was selbstverständlich für jeden frei interpretierbar ist und laut den Berliner Mauerblümchen keine generelle Botschaft besitzt), der ganz nebenbei entfachten Nazi-oder-nicht-Diskussion gießt man mit dem umstrittenen Clip zu Depeche ModeÔÇÖs „Stripped“ unschuldig lächelnd noch reines Kerosin ins Inquisitionsfeuer und setzt sich trotz allem monatelang in internationalen Charts fest. Phänomen oder KalkülüKalkuliertes Phänomen garüBleibt ebenso ein Rätsel wie die Band selbst, die sich mit ihrem dritten Streich wieder einmal über alle Konventionen und Moralvorstellungen um schockeswillen hinwegsetzt und mit „Mutter“ höchstwahrscheinlich noch nicht einmal den Zenit des Erfolges erreichen wird. Freilich gibt es inhaltlich wieder die volle Palette Spießbürger-Entbrüstung aus Sex, Drogen, Tod und noch Schlimmerem, dennoch haben Rammstein hart gearbeitet. An sich, an ihrer Musik. An „Mutter“. Gehen mit ihrem neuen Album einen anderen Weg. Wieder weg von den billigen 80er Jahre NDW-Effekten aus „Sehnsucht“ hin zu einem gestraften, nichts desto trotz aber bombastischen Sound jenseits aller Vergleichsmöglichkeit. Wo früher zackige Deutschtümelei in Reinkultur herrschte, setzt man effektvoll auf ausgeprägte Melodien mit Hang zum Stadionrock, akzentuierteres Spiel und bis ins Detail ausgetüfteltes Songwriting. „Wir wollen im Beifall untergehen…“ heißt es da nicht zu Unrecht und vorausschauend in „Ich will“ und wenn Lindemanns Frage „Könnt ihr mich fühlenü von der Masse mit einem scheinbar tausendfachen „Wir fühlen dich!“ beantwortet wird, dann muß nicht mehr viel hinzugefügt werden. Rammstein geben den Leuten was sie brauchen. Und das auf ihre ganz eigene, polarisierende Weise.
Veröffentlicht: