OUL „Antipode“
(Golden Church)
Einerseits wäre es vielleicht einfacher gewesen, OUL als anonymes Projekt eines maskierten, mysteriösen Unbekannten zu präsentieren. Dann nämlich hätte niemand die Stirn krausgezogen und geunkt, es handle sich halt um ein Soloprojekt des Sängers von The Vision Bleak und Ewigheim. Andererseits verwahrt sich Allen B. Konstanz zu Recht dagegen, sich und sein Schaffen jenseits von „Antipode“ zu verleugnen. Das ist insofern sinnvoll, als es neben den offensichtlichen Unterschieden – allem voran dem gitarrenlosen, elektronischen Klanggewand – durchaus Verbindendes gibt, etwa wenn der Alleinherrscher über das OUL-Universum in „You Are All“ stimmlich an den seligen Pete Steele von Type O Negative erinnert. Obwohl es solche Referenzen gibt, hier und da Sisters Of Mercy-Chöre auftreten, 90er Dark Wave („The Antipode“) oder klassischer Synthpop („Let It Flow“) anklingen, tappt „Antipode“ nie in die Retrofalle. Die scheinbar so einfach gebauten, bei näherer Betrachtung allerdings durchaus mit harmonischen und klanglichen Finessen ausgestatteten Songs verströmen eine Frische, die damit zusammenhängen dürfte, dass Herr Konstanz aktuelle Befindlichkeiten verarbeitet hat, statt sich auf einen nostalgischen Trip zu begeben. Ganz sicher spielt auch die Radikalität eine Rolle, mit der die Stücke auf das Wesentliche reduziert wurden. Dieses Debüt ist kein simpler Ausflug in eine andere Ausdrucksform. Es ist eine Herzensangelegenheit, die den Grundstein für mehr legt. Zumindest bleibt das nach diesem Einstand, der gekonnt zwischen vertonter Verlorenheit und Seelentrost changiert, zu hoffen.
Christoph Kutzer
Rezension aus Sonic Seducer, Ausgabe 04/2018.