1476 „Our Season Draws Near“
(Prophecy Productions/Soulfood)
Erst im vergangenen Jahr anhand des Rerelease von „Wildwood / The Nightside“ für den globalen Konservenmarkt urbar gemacht, erweist sich der isolationistisch-identitäre Ansatz des Duos aus Salem, Massachusetts auf dem auch äußerlich beeindruckend in Szene gesetzten Nachfolger als vollkommen immun gegenüber jenen Strömungen durchlässiger Reziprozität, die gehobene Aufmerksamkeit für gewöhnlich mit sich bringt. Nein, Robb Kavjian und Neil DeRosa bleiben sich selbst sowie der mystischen Interpretation ihrer Ostküstenheimat treu, selbst wenn „Our Season Draws Near“ phasenweise den Goth Punk der eigenen Anfänge durchschimmern lässt. Und beherzt rockige Tracks plötzlich eine plausible Nähe zu The Vision Bleak oder – in wenigen betont pathetischen Momenten – zu Klimt 1918 offenbaren. Doch wenn es gilt, 1476 eine belastbare Verwandtschaft zu attestieren, kommen nach wie vor nur die inzwischen verblichenen Agalloch infrage. Und das nicht zuletzt, weil es auch 1476 gelingt, okkult angehauchtes und heidnisch determiniertes Individualstreben als ein Naturerleben frei von mühsam elaborierter Bedeutungsschwere zu zelebrieren. Und mag „Our Season Draws Near“ auch dem (ewigen?) Winter gewidmet sein: Seine undogmatische und punktuell gar beschwingt anmutende Musikalität („By Torchlight“) eignet sich auch für die stimmige Ausgestaltung von Festivitäten des Mittsommers. Synästhesie des Saisonalen.
Stephan Wolf
Rezension aus Sonic Seducer, Ausgabe 04/2017.