Lange Zeit wurde mit einer neuen Platte gedroht, doch nun ist es tatsächlich wieder soweit. Der ohnehin schon krisengeschüttelte Planet zieht wieder kollektiv die Köpfe ein – Marilyn Manson schreckt mit neuem Album ehrbare Bürger und rüttelt erneut an den Grundfesten von Moral und Anstand. Diesmal jedoch nicht als Antichrist, androgyner Alien-Junkie oder wüster Rächer aus dem Tal des Todes. Auch heute nicht ganz unprovokativ gibt man sich die schizophrene Ehre einer grotesken Persönlichkeitsstörung zwischen Groucho Marx und Joseph Goebbels und hat sich auf „The Golden Age…“ das jeweilige Lebensgefühl Hollywoods und Berlins in den 30er Jahren zur kreativen Inspiration genommen, inhaltlich wie musikalisch. Doch Marilyn Manson wären nicht Marilyn Manson, wenn sie nicht auch wie Marilyn Manson klingen würden. Co-Songwriter Twiggy wurde mittlerweile von KMFDM-Member Tim Skold ersetzt, der den typischen MM-Sound um diverse elektronische Elemente erweitern und somit nach dem eher zähen „Holy Wood…“ wieder frischen Wind in die festgefahrenen Songschemata bringen konnte. Natürlich geht man auch auf „The Golden Age…“ wieder in Teilen auf Nummer sicher und spielt seinen tausendfach bewährten Joker aus massentauglichem, tanzbaren Electro-Glam-Rock und abgedrehtem Gesang aus („mOBSCENE“, „Ka-Boom Ka-Boom“, „Slutgarden“, „Better Of Two Evils“…), das Ganze jedoch auf einer weitaus abstrakteren und bizarreren Ebene als noch beim letzten Album. Auf der anderen Seite wurde diesmal hörbar viel umgedacht, experimentiert, neue Wege gegangen. Vieles definiert sich weniger durch Text als durch den Rhythmus, der hier eine entscheidende Rolle spielt. „Doll-Dagga Buzz-Buzz Ziggety-Zag“ überrascht mit zackigem Swing-Metal und seltsamen Sounds, der wabernde Titelsong erinnert mit seinem verstimmten Klavier und der verzerrten Stimme eher an den Ansager einer Freakshow um 1900, in „Spade“ fühlt man die Beklemmung fast körperlich den Brustkorb einschnüren und das repetative bis mantra-ähnliche „Para-Noir“ hypnotisiert mit seinen verführerischen weiblichen Traumstimmen. „The Golden Age Of Grotesque“ stellt einmal mehr das mutige Statement und die dokumentierte Selbstverwirklichung eines extremen Ausnahmekünstlers dar, der sich seine Regeln und Gesetze weitgehend selbst schafft. Ob es gefällt oder nicht.
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