Review
Artist: Front 242
Titel: Still & Raw (EP)
- Artist: Front 242
- Label/Vetrieb: Edel, XIII bis records
Dem Mythos 242, zuletzt eigentlich nur noch von einer ausgesprochen treuen Fanbasis am Leben gehalten, wird dieser Tage von Seiten seiner Erschaffer neues Leben eingehaucht. Man sollte annehmen, daß die Ankündigung dieses Ereignisses orkanartig seinen Weg durch die Foren der Gemeinde gemacht hätte, aber das ganz große Tamtam im Vorfeld blieb bisher aus. Vielleicht wirkte die Masse an Seitenprojekten aller Gründungsmitglieder in den vergangenen Jahren reizüberflutend oder die Ergebnisse dieser zumeist hochgepriesenen Soloalben, die prinzipiell mittels wirksamen 242-Etiketten beworben wurden, fügten sich nicht in das Wunschbild ihrer Hörer ein und haben diese nicht unbegründet abwartende Haltung zur Folge. Zehn Jahre ist es her, daß die kurz hintereinander veröffentlichten Alben „(Fuck) Up Evil“ und „(Evil) Off“ für berechtigtes Aufsehen sorgten, zwei Alben, die die letzten komplett neuen Songs enthielten (abgesehen von einem einzigen Samplerbeitrag namens „Sick OfU“) und an revolutionären Veränderungen im Soundbild der Belgier kaum zu überbieten waren. Was in den Folgejahren kam, waren zwar die vielbeachteten Livealben „Live Code“ und „Re: Boot“, diese boten jedoch nichts als bekanntes Material in damals durchaus zeitgemäß überarbeiteten Versionen. Durch eine Schwemme von überflüssigen Remixen auf zahlreichen CDs provozierte der weltweite Inbegriff des EBM-Genres dann aber anfangs noch verhaltene Vorwürfe zu Resteverwertung ohne kreativen Output, die sich in der letzten Zeit weiter verstärkten. Mit Sicherheit war man sich ununterbrochen der Tatsache bewußt, daß sich die eigene Fangemeinde, trotz gravierender Einschnitte im Sound und dessen weiterer ü»ffnung zu kommerziell erfolgreichem Crossover und Techno sich kaum verjüngte, von ihnen heute am liebsten wieder den monotonen, militärisch-harten Ur-Techno hören würde. Auf der anderen Seite war indes stets der Drang oder Zwang zu künstlerischer Verwirklichung und logischer Fortführung des Schaffens unter der Flagge von Front 242, was sich nur schwer in Einklang bringen läßt. Die Erwartungen aus künstlerischer Sicht, mögen die vier neuen Titel auf „Still & Raw“ letztendlich zu erfüllen. „7 Rain“ kann man durchaus als sinnvolle Weiterführung des auf „(Evil) Off“ eingeschlagenen Weges betrachten und auch „Loud“, „Strobe“ und „Collision“ verfügen über spezielle Reize, die einem beim Hören vielleicht nicht direkt ins Gesicht springen, sich aber nach und nach aus der zurückhaltend arrangiert wirkenden Ambient-Atmosphäre herauskristallisieren. Nun haben Front 242 aber ursprünglich Electronic Body Music produziert, Musik also weniger für den Geist als für den Körper und damit prinzipiell auf die Tanzflächen gezielt. Dieses selbst etablierte, durch geradlinige Rhythmen unweigerlich mit Arbeit und Schweiß in Verbindung gebrachte Merkmal, hatte bei der Konzipierung dieser EP keinen Einfluß. Ganz im Gegenteil: Die drei zuletzt genannten Songs sind sogar gänzlich untanzbar und selbst zum Hausgebrauch nicht spannend genug, häufiges Hören nach sich zu ziehen. Um es ganz hart auszudrücken: An der bestehenden Zielgruppe vorbei produziert. Fazit: Je den Erwartungen und Hoffnungen, die in diese Veröffentlichung gesteckt wurden, ein maximal befriedigendes Werk, welches wegen seiner guten Ansätze jedoch auf den ein oder anderen Top-Track auf dem kommenden Album hoffen läßt.
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