(Dead Oceans/Cargo)
Nicht nur im Fußball gerät man leicht ins Abseits: Nach einem derben Foul von der britischen Musikpresse hatten Slowdive Mitte der Neunziger kein Glück mehr auf dem Platz. Das Spiel der Shoegazer wurde vorzeitig abgepfiffen. Ihre Spielkünste galten als veraltet und nicht mehr gefragt. Doch viel ist passiert in den letzten 20 Jahren und spätestens seit den frühen Nullern schauen mehr und mehr Bands wie M83, A Place To Bury Strangers oder Beach House erneut auf ihre Schuhe. Es darf wieder geträumt werden. Schwelgerisch wühlen die Nu-Gazer in der Effektkiste aus Delay und Reverb, bis der Gesang sich an schwere Walls of Noise schmiegt. Es ist die Zeit, in der Slowdive getrost den Ball in die Hand nehmen können und die Würdigung erfahren, die ihnen zum Ende ihrer kurzen, aber eindrucksvollen Karriere versagt wurde. Mit ihrem vierten Album „Slowdive“ dürfte das Lob aus vollen Eimern über das Quintett geschüttet werden. Es ist eine triumphale Rückkehr. Voller Eleganz, kraftvoll und opulent. Mit genug Aha-Momenten für Nostalgiker, aber erfrischend modern. Mal spielen die Briten minimalistisch wie in „Sugar For The Pill“ oder dem nachdenklichen Finale „Falling Ashes“, das nur von Rachel Goswells und Neil Halsteads Stimme und einigen Klavierakkorden getragen wird. Dann wiederum steht ein von Optimismus besoffenes Lied mit luftigen Gitarren wie „Star Roving“ einem ebenso poppigen, aber viel melancholischerem „No Longer Making Time“ gegenüber. Ganz zu schweigen vom Opener „Slomo“, der sich gemütlich, aber zielsicher in Traumtiefen begibt. Ganze 22 Jahre nach „Pygmalion“ schießen Slowdive mit ihrem Comebackalbum ein Tor nach dem anderen. Willkommen zurück in der Champions League!
Torsten Schäfer
Veröffentlicht: 06/2017