Review
Artist: KATHARINA FRANCK
Titel: Zeitlupenkino
- Artist: KATHARINA FRANCK
- Label/Vetrieb: Mute, Virgin
Dem Vorleseur ist nichts zu schwör – das wissen auch Leute, die ein Feuilleton für ein japanisches Bett halten. In Zeiten, wo Benjamin von Stuckrad-Barre selbst die hartgesottensten Rocker mit Einsichten durch Auffahrunfall überzeugt und Max Goldt live Sinn-Null-Reime von DJ Koze rezitiert, ist Spoken Word längst nicht mehr eine lebende intellektuelle Leiche, sondern Pop – und genau da will Katharina Franck hin, bei der es zum Glück keinen mehr interessiert, ob sie früher mal bei den Rainbirds gesungen hat. Schwierige, theaterschwangere Feldstudien mit FM Einheit und Ulrike Haage als Gruppe Stein folgten, und mal ehrlich: Stirnrunzeln ist zumindest erlaubt, wenn sie den Anspruch erhebt, gesprochene Popsongs und eben kein knörmeliges Avantgarde-Hörbuch zu produzieren. Doch je länger man im „Zeitlupenkino“ sitzt, desto klarer wird: Die Frau weiß nicht nur was vom Schreiben, sondern auch was von der Musik. Ihre Texte sind Bewußtseinsströme, die oft hart an der Grenze zum Surrealen spazierengehen und durch einen gnadenlosen Stilbruch wieder auf den Boden meist nicht allzu erfreulicher Tatsachen knallen. Wie sie abwechselnd lahmend der musikalischen Vorgabe hinterherhinkt, um im nächsten Moment wieder gehetzt Schritt zu halten, verleiht ihren Hörbildern eine schwer greifbare, fast gereizte Spannung, bis dann alles durch eine himmelwärts schwebende Instrumentalpassage aufgelöst wird. Klar kann sich Katharina Franck ein paar berlinische Ankumpeleien nicht verkneifen, im schnellen Opener „Jetzt hat sie’s“ erinnert der Chor sogar an die Deutsche Bundesband – das alles ist locker und schwermütig zugleich und tatsächlich Pop im vielleicht besten Sinne: Man will es immer noch mal hören. Packender Kintopp ohne Kunstscheiße.
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