Box And The Twins sind auf ihrem zweiten Album „Zerfall“ in vielerlei Hinsicht gewachsen: Die Songs schweben so traumverloren und herzensschwer wie auf dem Dreampop-Debüt „Everywhere I Go Is Silence“, doch gesellen sich zu den luftleichten Gitarren nun Beats und teils beinahe poppige Melodien vollkommen organisch hinzu. Man versteht sofort den Albumuntertitel „10 Songs Of Pain And Boredom“. Das Duo nimmt Bezug auf Schopenhauer, der in Schmerz und Langeweile die wahren Feinde des menschlichen Glücks gesehen hat. Beides sind die Gegenpole, zwischen denen auch die Stimmung dieses Albums mäandert. Sicherlich hat „The First Dream“ mit seinem wie Herzklopfen pumpenden Bass-Beat, dem melodischen Refrain und der herausstechenden Zeile „I always wake up on my knees“ die klarste Kontur. Das auf Deutsch gesungene „Dein Herz schlägt noch“ beweist zudem, dass Sängerin Box in jeder Sprache eine bestechende Stimme hat. Der Song könnte von den Cocteau Twins geschrieben und von Anja Huwe von X-Mal-Deutschland gesungen sein. Ein bisschen heller erscheint da der „Lovesong For A Ghost“, der allerdings mit traurigen Zeilen wie „Nobody can count all the raindrops“ und „Love is weaker than fear“ zurück in die Seelenabgründe zieht. Wenn die Zeiten andere wären, dann wären Box And The Twins der leuchtendste Stern auf dem legendären Label 4AD. So aber bleibt uns ein fantastisch-melancholisches Album für wahrhaft Sehnende – selbst dann noch, wenn sie gar nicht wissen, wonach sie sich sehnen.
Georg Howahl
In der aktuellen Doppelausgabe Sonic Seducer 12-2019 sprechen Box And The Twins über die musikalische Evolution, die sie auf „Zerfall“ vollziehen und welche Schönheit dem Zerfall inneweohnt. |