Die alten Geschichten deuten mit Weisheit darauf, wie diesen Verwirrungen zu entkommen ist. Wir konnten die junge Autorin im Interview zu dem gut 600-seitigen Saga-Auftakt befragen, das auf drei Bände ausgelegt ist.
Die Mythologie nimmt in Sarah Skitschaks Leben einen ganz besonderen Stellenwert ein. Schon früh war sie fasziniert von der Nibelungen-Sage. „Dann folgte der Schlüsselmoment: Ich erfuhr von den nordischen Mythen, die plötzlich mit einer viel größeren Welt aufwarteten und mir zeigten, dass ich bisher nur durch ein Schlüsselloch in den Flur gesehen hatte – nicht aber in den Hauptraum oder die zahlreichen Winkel. Ich versank zwischen den Zeilen der dichten Erzählung der Edda. Wie gelingt es, etwas so sprachlich Schönes und Komplexes in wenige Zeilen zu fassen? In diesem Moment habe ich mich sowohl in die Geschichten als auch in deren später gefasste, sprachliche Ausführung verliebt. Seither begleitet mich die nordische Mythologie auf meinem Weg, nicht zuletzt in meinem beruflichen Aspekt als Autorin. Jeden Tag.“
Die kreative Entladung fand jedoch nicht als logische Konsequenz über die Faszination der Thematik statt, sondern einer ihrer Kommilitonen war mit einer einfachen Frage Anstoßstein, ihre Sichtweisen auf die Erzählungen zu überdenken. „,Was zur Hölle ist ein Loki?‘ Die Frage riss mich so unvermittelt aus meinen Gedanken, dass ich im ersten Moment gar nicht wusste, was ich darauf antworten sollte. Je länger ich grübelte, desto unsicherer wurde ich. Es ist ein himmelweiter Unterschied, ob nach dem ,Wer‘ oder dem ,Was‘ gefragt wird. Daran knüpfte sich die Frage an, was ist, wenn nichts ist, wie es scheint? Mit dieser Frage ist ,Weltentod‘ geboren worden. Inspiration habe ich also durchaus in den alten Erzählungen gefunden, doch in meinem Kopf entstand bereits eine ganz neue Welt mit neuen Geschichten, die nur lose auf den Sagen basierten.“ Nachdem die Grenzen der mythischen Welt aufgehoben waren, konnte sie die eddischen Verse in einen neuen Zusammenhang setzen, sodass sie die Rolle des erhobenen Zeigefingers übernehmen, oder die Handlung mit einem ironischen Augenzwinkern unterstreichen.
Ihrer Leserschaft rät die Autorin, nichts mit auf die literarische Reise zu nehmen und die reale Welt hinter den Schleiern des Alltags zurückzulassen. „Ganz gleich, was ich als Autorin noch zur Geschichte sage, was ich mir beim Schreiben denke oder vermeintlich den Lesern fürs Leben und Lesen rate – jeder erlebt seine eigene Geschichte. Genau so soll es auch sein.“
Jessica Andrischack-Schützmann
Foto: Jenny Hauer