Zynic „Neon Oblivion“
(Zedsdead Records)
In unsicheren Zeiten tut es gut, zu wissen, was einen erwartet. H. P. Siemandel, der kreative Kopf hinter Zynic, erfüllt dieses konservative Bedürfnis in mehrfacher Hinsicht: Wie die beiden ersten Zynic-Alben „Fire Walk With Me“ und „Blindsided“ umfasst „Neon Oblivion“ zehn klassische Synthiepop-Songs, darunter erneut eine Coverversion. „Say Just Words“ von Paradise Lost hat sich der Musiker diesmal vorgenommen, nachdem sich die Alben Nummer eins und zwei mit Neuinterpretationen von Depeche Mode bzw. Don Henley noch des kreativen Potentials der frühen Achtzigerjahre bedienten. Zweifellos prägen die Einflüsse jenes Jahrzehnts auch die neuen Zynic-Songs, doch die Entscheidung, sich eines relativ poppigen Titels der Goth-Metal-Giganten Paradise Lost aus der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre anzunehmen, zeugt von musikalischer Offenheit und unterstreicht Siemandels Gespür für hitbewusstes Songwriting, das Bands wie Mesh in keiner Weise nachsteht. Zynic klingt teilweise so, wie es sich manche nach wie vor von Depeche Mode wünschen; die trotz sozialkritischer Texte und anklingender Melancholie oft unbeschwert wirkenden Arrangements und das ein oder andere geschickt platzierte Sample lassen erahnen, dass das so gewollt ist. „Slice Of Life“ klingt wie eine Hommage an Anne Clark, während das deutschsprachige „Trümmer“ zwischen IDM und Electroclash pendelt. Liebhaber entspannten Synthiepops können hier bedenkenlos zugreifen.
Kai Reinbold
Rezension aus Sonic Seducer, Ausgabe 04/2017.