Wolf Alice „Visions Of A Life“
(Caroline/Universal)
Mit ihrem aktuellen Streich – nach dem zumindest in UK bestens verkauften (und vermutlich global hochgelobten) Debütalbum „My Love Is Cool“ – schickt sich das Quartett unter der Leitung von Ellie Roswell an, gleich auf mehreren Hochzeiten Braut und Bräutigam zu entführen. Das birgt, auf gut deutsch gesagt, die Gefahr des Verzettelns. Denn wer mit nahezu jedem Song ein anderes Genre in die Knie zu zwingen gedenkt, landet womöglich auf besagten Gelenken. So folgen auf den berauschenden Shoegaze-Opener „Heavenward“ mit „Yuk Foo“ eine Riot Grrrl-Aggression, mit „Beautifully Unconventional“ eine scheinbare Hanson-Persiflage, darauf mit „Don’t Delete The Kisses“ eine Mixtur aus OMD und Catcall. Und so weiter: „Visions Of A Life“ erweist sich als couragiert gefüllte Wundertüte, die aufgrund ihrer extrem variablen Bestückung zu bersten droht. Dass Wolf Alice diese Gefahr offensiv in Kauf nehmen, mag in dem Selbstvertrauen begründet sein, über substanziell hochwertige Songs zu verfügen. Und mit Justin Meldal-Johnsen (Produktion) und Tom Elmhirst (Mix) über Angestellte, die ihrer Arbeit mit Bravour nachgehen. Vermutlich – und dies mag die Krux sein – viel zu gut für die Charts.
Stephan Wolf
Rezension aus Sonic Seducer, Ausgabe 10/2017.