Welle: Erdball
„Tanzmusik für Roboter“
(Synthetic Symphony/SPV)
Obwohl die meisten ihrer Lieder ernsthaften Themen gewidmet sind, halten manche sie für bloße Eulenspiegelei. Unverständlich, denn Ironie und beißender Spott sind Welle: Erdballs Markenzeichen. Unverständlich, dass einige Kritiker das entweder nicht verstehen oder geflissentlich übersehen (wollen). Unreflektierter Medienkonsum, zügelloser Kapitalismus, Machtgeilheit, Schönheitswahn und Überwachungsterror werden auf „Tanzmusik für Roboter“ kritisiert und über weite Strecken im gewohnt fröhlich-minimalistischen NDW-Gewand präsentiert: „Die neue Welt rechtfertigt einen Mord“ heißt es in „Die neue Weltordnung“ (nur auf der Vinyl-Version enthalten). Etwa deshalb, weil „wahre Schönheit nur von außen kommt“? Einem gewissen „Zuckerberg“ wird sogar wörtlich „die Fresse“ poliert. Kein Aufruf zu Handgreiflichkeiten, sondern harte Worte, die provozieren und aufrütteln. Welle: Erdball halten einer oberflächlichen Gesellschaft den Spiegel vor, das macht ihre Musik so wertvoll. „Ich mach mich schön“ und „Gib mir meine Zukunft wieder“ stehen in der Tradition von Klassikern wie „Jung, schön und modern“, „Niemand erkennt uns“ bzw. „Betäubung“. „Der Flipperkönig“ erinnert wie einst „Walkman“ an frühere Innovationen der Unterhaltungsindustrie und „Mimikry“ fügt all dem einen Schuss infantilen Schlagercharme hinzu. Neue Versionen von „Computersex“ und „Ich bin aus Plastik“ sowie diverse Selbstreferenzen runden das Werk ab, das ein für Welle: Erdball typisches ist. Der beiliegenden Musikkassette (sic!) verdankt die limitierte Deluxe-Box meine uneingeschränkte Kaufempfehlung. Anspieltipp: „Das Passwort“.
Kai Reinbold
Veröffentlicht: 03/2014