Sylvgheist Maëlström
„Pripyat“
(Hands/Cargo)
Wie schön wären die akustischen Streifzüge des Franzosen, führten sie nicht prinzipiell durch Orte des Schreckens. Der Vorgänger „Skaftafell“ thematisierte von Menschhand begünstigte Naturgewalten der destruktiven Klasse, „Pripyat“ wird teilweise konkreter, indem es Schauplätze unmittelbar menschgemachter Katastrophen mit Musik flutet. Wie Pripjat eben, die Geisterstadt nahe des 1986 havarierten Atomkraftwerks Tschernobyl. Der Titelsong trifft die Stimmung, die Bilder der verlassenen Gegend erzeugen, ziemlich genau. Die Geschichte ist konserviert, doch der Verfall setzt ein und durch sozialistischen Beton treibt strahlendes Grün. Anlass zu Hoffnung gibt Julien Sylvgheist indes nur wenig, denn bedrückend gestalten sich auch die übrigen 13 Tracks der Scheibe, die wieder in der Peripherie von IDM, Electro, Dark Ambient und Rhythm’n’Noise gelagert sind. Von „Islandsis“ mag eine gewisse Kälte ausgehen, doch hört man das Krachen und Knarzen im tauenden Gletscher, das gierige Schürfen in den Uranminen von „Kvanefjeld“ oder die rücksichtlose Ausbeute seltener Erden wie „Dysprosium“, damit die Wohlstandsgesellschaft auch wirklich regelmäßig am neuesten Smartphone fummeln kann. Alle Tracks kennzeichnen eine enorme Detailverliebtheit und ein hoher Grad an zielgerichteter Rhythmik. Zwei Remixe am Albumende, von [basementgrrr] und Yura Yura, krönen das intensive Werk.
Jörn Karstedt
Veröffentlicht: 06/2014
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