Oje, dachte ich, als ich diese Scheibe in den Händen hielt, gleich sifft mir ein dreckiger Tonschwall entgegen, quält meine verwöhnten Hörorgane mit einer Unmenge von längst vergangenen Klängen der Auflehnung gegen ein England der Endsiebziger. Dieses Szenario ist nicht eingetreten, ich als bekennender Nicht-Stiff-Kenner wurde bereits nach den ersten drei (!) Akkorden eines Besseren belehrt. Die obige ü¤ra stimmt zwar, die Musik der Stiffs aber verhält sich meinem Pistols-geschulten Punkverständnis gegenläufig. Zwar eingebunden in das Punkkorsett, jedoch weniger roh, weniger dreckig, dafür jedes Stück mit eingängigen, schönen Melodien durchzogen, ergibt sich am Schluß eine runde Sache: Der Poppunk, Pupponk oder wahlweise Ponkpup ist geboren, bzw. wiedergeboren. Die recht einfach gestrickten Songs mit den herausstechenden, fast hymnenhaften Hooklines sind eine gezähmte Version des rebellischen Rotzpunks, was aber im heutigen (Hör-)Kontext nicht unangenehm ist. Mit ihrem Song „It’s Not Rock’n Roll“ muß ich den Jungs leider eine Lüge bescheinigen, denn derartige Stilmittel sind auf keinen Fall zu überhören (NWOBHM, Kiss und Thin Lizzy liegen in der Assoziationsskala auf jeden Fall nicht hinter ihren Kollegen aus der Rotzecke). Die Collection macht sogar einen außergewöhnlich einleuchtenden Sinn: Die Stiffs haben es nämlich in ihrer ganzen chaotischen Karriere nicht geschafft, auch nur einen Longplayer einzuspielen! Daher ist diese Platte, welche außer den gesamten Singles plus einigen Compilationbeiträgen und Material von Radiosessions auch noch unveröffentlichtes Material zusammenbringt, nicht nur für Fans interessant.

Veröffentlicht: 1999

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