Ritual Howls
„Turkish Leather“
(Felte Records/Cargo)
Detroit ist nicht gerade das beste Pflaster für düstere Musik. Bekannt ist die Metropole im US-Staat Michigan für das Soul-Label Motown, minimalistische Techno-Spielarten oder den Proto-Punk von MC5. Ritual Howls stehen mit verhalltem Cold Wave und knurrigem Post-Punk in ihrer Heimat also ziemlich allein auf weiter Flur. Legt das Trio auf seinem zweiten Album mit dunkel sirrenden Gitarrenläufen und schwer atmender Drummachine los, wähnt man sich eher im Frankreich von Trisomie 21 oder Norma Loy – und wenn schon in den USA, dann allenfalls in den neonbefunzelten Übungskellern von Cold Cave oder The Soft Moon. Ritual Howls ist das natürlich egal, wenn ihre länglichen Songs die Tiefen kriechstromdurchfluteter Monotonie ausloten: Maschinelle Grundierung und lichtlose Atmosphäre verweisen einerseits auch auf Suicide oder Joy Division, andererseits nickt der rhythmische Loop des bedrohlichen „The Taste Of You“ abgemildert „Death+“ von den kalifornischen Noise-Rockern HEALTH zu. Statt brachialer Breitseiten hat „Turkish Leather“ jedoch unheilvolle Twangs im Programm, die die Songs zuweilen in die Nähe eines Swamp-Rock rücken, bei dem die Ungeheuer aus dem Moor kein Blut, sondern Motorenöl saufen. Sollen sie ruhig, wenn dabei rigide abzischende Hits wie das Titelstück oder „Final Service“ herauskommen. Und sollten Ritual Howls weiter so großartige Platten aus dem Herzen der Finsternis wie diese aufnehmen, ist die letzte Messe noch lange nicht gelesen.
Thomas Pilgrim
Veröffentlicht: 10/2014
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