(Kscope/Edel)
Ein Keyboarder mit Progressive-Hintergrund (Mitwirkung bei Porcupine Tree und Japan) macht weitgehend instrumentale Musik mit Jazz-Einflüssen. Das klingt nach einem Fall für Musik-Nerds. Umso mehr, wenn man um das Konzept hinter dem neuen Soloalbum von Richard Barbieri weiß. Das ständige Auf und Ab zwischen Ruhe und Bewegung, Klangflächen und rhythmischen Wirbeln, Licht und Dunkelheit, das sich zwischen dem Opener „Solar Sea“ und dem abschließenden „Solar Storm“ erstreckt, kreist um die Dualität der Schöpfung. Progressiv heißt hier: Losgelöst von Regeln. Der Jazz ist Teil dieser Freiheit und trägt mit akustischen Farbtupfern zum Gesamtbild bei, statt sich virtuos in den Vordergrund zu drängen. Der partiell einsetzende, auf Silben beschränkte Gesang wiederum markiert den Menschen als Teil der Schöpfung, der ebenfalls zwiegespalten ist. Am deutlichsten lotet „Night Of The Hunter“ die Abgründe der conditio humana aus, dessen Titel einem finsteren Filmthriller aus dem Jahre 1955 entlehnt ist. Das Stück beginnt recht verspielt, entwickelt nach rund fünf Minuten aber einen geradezu nachtschwarzen Sog. „Interstellar Medium“ basiert auf melancholischer Elektronik und einem Rhythmuspattern irgendwo zwischen digitalem Zeitalter und Tribal-Mystik, „Shafts Of Light“ verströmt die Stimmung eines Sonnenaufgangs am Meer. Die Kompositionen sind vordergründig minimalistisch gehalten, stecken aber voller Details, die keine Langeweile aufkommen lassen, auch wo der Maestro sich Zeit lässt. Herausgekommen ist ein Album, das zum Versinken gemacht ist, nicht zum Zerdenken.
Christoph Kutzer
Veröffentlicht: 03/2017
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