Peter Murphy
„Lion“
(Nettwerk/Soulfood)
Peter Murphy hat eine verdammt gute Phase in seinem Schaffen. Schon sein letztes Album „Ninth“ war wegen einprägsamer, fast schon poppiger Songs („Seesaw Sway“, „The Prince And Old Lady Shade“, „I Spit Roses“) ein absoluter Erfolg. Und nun besinnt sich Murphy – sicherlich auch inspiriert durch die 35-Jahre-Tour mit Songs seiner alten Band – auf seine Wurzeln bei Bauhaus. „Lion“ ist ein echtes Düsterpop-Kunstwerk geworden, schön, funkelnd und faszinierend rätselhaft. Da wäre schon das zunächst mysteriöse „Hang Up“ zu Beginn, in dem Murphy im Refrain sein volles beschwörerisches Potenzial ausbreitet. Oder das eher elektronische „I Am My Own Name“. Mit diesem Statement rechnet Murphy mit allen ab, die im Laufe der Jahrzehnte immer wieder ihre Vorstellungen auf den komplexen Songwriter projiziert haben. Selbst wenn diese Leute nicht ganz falsch lagen, lagen sie auch nie ganz richtig. Murphy gibt sich auf „Lion“ extrem vielschichtig: „Low Tar Stars“ ist ein beschleunigter Glamrock-Song, „Compression“ eine Ballade mit herrlich ausuferndem Refrain. Und „Eliza“ ist wahrscheinlich der Hit des Longplayers, der sich auf jedem Bauhaus-Album wohlgefühlt hätte, eine volle Dröhnung hart gespielter Postpunk-Kunst. Über allem schwebt die äußerst zeitgemäße, druckvolle Produktion von Youth, der sonst bei Killing Joke den Bass spielt. Eines der besten Murphy-Alben überhaupt.
Georg Howahl
Veröffentlicht: 06/2014