(Staatsakt/Caroline/Universal)
Das Erstaunliche an der erfolgreichen „Desintegration“-Tour, die Klez.e im Anschluss an die Veröffentlichung ihres genial-curesken Albums im vergangenen Jahr gemacht haben, war eigentlich nur, dass die Band nicht noch viel erfolgreicher geworden ist. Aber nicht jeder mag Tobias Sieberts deutschen Gesang. Mit „November“ ist nun ein Livedokument dieser Tour entstanden, das sich mehr als hören lassen kann: 15 Songs in teils außergewöhnlich ausufernden Versionen, die in ruhiger Depression eine gewisse Friedlichkeit verbreiten – und doch an den entscheidenden Stellen mitreißen. Kleiner Wermutstropfen für Livepuristen: Die klanglich und musikalisch brillanten Aufnahmen wurden nicht während eines einzigen Konzerts aufgenommen, sondern stammen aus Berlin, München, Regensburg, Weiden, Hamburg und Bremen. Und Sänger und Produzent Tobias Siebert hat bewusst auch nicht versucht, ein solches Livefeeling zu faken. Dennoch ist „November“ atmosphärisch sehr dicht geworden – und liefert neben den Songs von „Desintegration“ einige alte Klez.e-Stücke in neuem Gewand. So werden „Strandlied“ oder „Im Raum der Toten“ zu Liedern, die sich auch auf „Desintegration“ wohlgefühlt hätten. Und ein neues gibt es: „Raupe“, das den deutschen Sanierungswahn in die Aberwitzigkeiten des alltäglichen Lebens hinein fortsetzt: „Wir sanieren das Hospiz, denn das werden wir brauchen, um zu sterben.“ Ein kurzer, intensiver Song – und nicht nur für ihn lohnt sich der Erwerb dieses Albums.
Georg Howahl
Veröffentlicht: 11/2017