(Seayou Records/Rough Trade)
„Haben Sie Wien schon bei Nacht gesehen?“ Eine gar kesse Frage, die Rainhard Fendrich anhand von „Skintrade“ nunmehr als beantwortet kassieren darf. Ob im Prater indes wieder „die Bäume blühn“ (Hermann Prey et al) mag angesichts des Gemetzels, das It’s The Lipstick On Your Teeth auf ihrem Album veranstalten, bezweifelt werden. Eher wird in der Oberen Lobau oder der Alten Donau wieder gepudert, was das Zeug hält. Sofern zwischen Peaches, Die Antwoord und Atari Teenage Riot noch ein Plätzchen frei ist. Küss die Hand, gnä Frau – doch der Goth Noise von Michelle, Igor, Martin (und Schrank) hinterlässt mehr als nur dekorative Labialpflege auf den Beißerchen. So darüber hinaus auch ätzenden Nachgeschmack, fahlgelbe Beläge, die den Maulkarzinomen dieser Welt zuarbeiten – und Kauleisten einschlagende Leberhaken. Das erotoman veranlagte Aggressionspotential von „Skintrade“ funktioniert grenzübergreifend. Da grenzüberschreitend. Darauf noch einen Pfiff aus Körperflüssigkeiten – der Intellekt braucht derweil nicht beleidigt in der Ecke stehen. Agitativ stark, gesellschaftspolitisch auf der Höhe, musikalisch eine Bank: Aus Dornen und Gestrüpp. Geil. Fehlen nur noch die Gastauftritte von Voodoo Jürgens und dem Nino aus Wien.
Stephan Wolf
Veröffentlicht: 07/2017
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