(ITN Corp/Membran)
Wann ich ITN zum ersten Mal hörte, kann ich nicht mehr mit Sicherheit sagen. Nachhaltigen Eindruck machte auf mich auf jeden Fall ihr 1988er Album „Köda“. Von da an war ich fasziniert vom immerwährenden Auf und Ab der neoklassischen Spannungsbögen und epischen Soundtrackkompositionen. „Blind Sound“, ihr jüngstes reguläres Album aus dem Jahr 2011, stellte in Sachen computergenerierte Klanglandschaften einen bisherigen Höhepunkt dar. Die opulenten, teils aber auch in den Pop gehenden Arrangements wirkten fast ein wenig zu perfekt. „1961“ ist da ganz anders. Roh und voll ungefilterter Experimentierfreude gehen die Humberstonezwillinge an die neuen Tracks heran. Konzeptionell liefert das Geburtsjahr von Nigel und Klive einen spannenden Rahmen, in dem die Themen vom Bau der Berliner Mauer („Torschlusspanik“) bis zum Weltraumpionier Juri Gagarin oder dem verwunschenen Hospital reichen, in dem die Twins einst geboren wurden. Feldaufnahmen, echte Streicher und Computersounds stehen gleichberechtigt nebeneinander und erzeugen viel Abwechslung. Auffällig ist, wie viele Ecken und Kanten ungeschliffen blieben, so dass Titel wie „Consul“, der übrigens auf den Motorengeräuschen eines 1961er Ford Consul basiert, bisweilen einen unvollendeten Charakter besitzen. „1961“, das ist ein Neuanfang, ein Experiment, das Lust auf weitere 30 Jahre ITN macht.
Peter Heymann
Veröffentlicht: 11/2017