(Mute/GoodToGo)
Zum Glück gibt es Alison Goldfrapp und Will Gregory. Halten sie doch dem merkantilen Kalkül entschieden die Pracht des Unberechenbaren entgegen. So wie es ihnen schon auf ihren sechs vorangegangenen Alben stets gelang, einen jeweils gänzlich eigenartigen und dabei in sich geschlossenen Soundkosmos zu entwerfen, klingt auch „Silver Eye“ wie nichts zuvor. Diesmal gelingt dem Duo eine nicht zuletzt auch in erotischer Hinsicht immens stimulierende Verschmelzung von kontrolliert anmutender Kälte und (nicht nur) unterschwellig brodelnder Leidenschaft. Das inhaltlich transportierte Thema des Lunaren und der damit (nun einmal) verbundenen Gestaltwandlung geht hier mit einer musikalischen Sprache einher, die zumindest nach außen hin kühn beherrscht erscheint. Und doch sehr tief in die eleganten Abgründe einer lustvoll ausgeprägten Schizophrenie blicken lässt. „Waning moon in plutonic dreams, you’re my kinda bling my alibi – systemagic magic“, mag als Schlüsselsentenz verstanden werden. Wäre da nicht die sich in der Dramaturgie des Albums anschließende Willenlosigkeit aus Hingabe, die der „Tigerman“ einfordert. Und die er im weiteren Verlauf doppelt und dreifach heimgezahlt bekommt. Goldfrapp ziehen bei dieser Unternehmung lieber mehr als weniger Register einer stark elektronisch determinierten Auslotung. Jedoch, und das könnte als der entscheidende Vorzug von „Silver Eye“ deklariert werden, kein Fazit. Allein schon die präzise Würze, mit der Alison Goldfrapp in ihrem Vortrag das Allzumenschliche dem Digitalen souverän die Schau stiehlt, lässt ewigen Wandel erahnen. Das Artwork, entstanden auf Fuerteventura, spricht hingegen „nur“ Bände.
Stephan Wolf
Veröffentlicht: 04/2017