Germ
„Escape“
(Prophecy Productions/Soulfood)
Was Germ-Kopf Tim Yatras unter ‚Experimental Depressive Black Music‘ versteht, erweist sich auf seinem vierten Album als ein ziemlich gewagter, aber unterm Strich doch für sich gewinnender Versuch, dem Black Metal entlehnte Standards mit nahezu freudig erregter Pop-Melodik zu kreuzen. Nicht, dass es derlei Versuche nicht schon zuhauf gegeben hätte – Funeral Metal im Prinzip etwa. Doch bei Germ schwingt eine zu Herzen und Nieren gehende Verzweiflung mit, die sich aus der Ahnung zu speisen scheint, wie schön das Leben im Pop sein könnte, wenn man nur dazu in der Lage wäre, es auch anzunehmen und den Ballast der eigenen Befangenheit hinter sich zu lassen. So aber keift sich Tim Yatras auf die ihm vertraute Seite, während die Melodieführungen einen Ausweg nach dem anderen aufzeigen. Unter Tränen schnäuzt sich der Rezensent und schluchzt etwas von einem ergreifenden Meisterwerk, dabei tut er sich doch nur selber leid. Beziehungsweise er erfreut sich eines Albums, das in seinen besten Momenten simultan an Lifelover, Alcest und Satyricon erinnert. Doch während zumindest zwei der drei genannten Referenzen Suizidgedanken einfordern, belässt es Tim Yatras bei einer gehörigen Portion Überlebenswillen. Allein die überbetont schattige Produktion verweist auf den wahren Geist des Australiers, der nach „Wish“, „Loss“ und „Grief“ endlich zur eloquentesten Imago als Germ gefunden hat. Bravo!
Stephan Wolf
Veröffentlicht: 05/2016
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