Die Krupps
„Stahlwerkrequiem“
(Bureau B/Indigo)
Und plötzlich ist wieder 1981? Wäre nicht das Verkehrteste. Während die auf der vorliegenden Meditation über Zeit, Verfall und Widerstand zum Leitmotiv gewählten Orte – Rheinhausen und Westfalenhütte – ihrer Agonie erst noch bewusst wurden, erhob sich ein bis heute virulenter Freigeist, dem Jürgen Engler hier samt einer überaus illustren Belegschaft – eben – kein Denkmal setzt. Sondern den Nachweis erbringt, dass die erste post-industriale Generation das Atmen, Dampfen, Schmelzen und Schmieden noch längst nicht eingestellt hat. Dabei gehört die Mehrzahl der an „Stahlwerkrequiem“ Beteiligten einer Generation an, die es noch gewohnt war, dass sämtliche Schlote – rauchend – noch tüchtig Wohlstand für alle zu symbolisieren hatten: Faust (Jean Hervé, Zappi), Mani Neumeier (Guru Guru), der Pyrolator. Gemeinsam amalgamieren sie das Gewesene mit dem Kommenden, im Vollzug einer musikalischen Orgie, die nicht nur die Gegenwart beschwört, sondern, frei nach Willi Brandt, auch das Wesentliche vom Unwesentlichen zu trennen weiß. Vom Bass getrieben erstrahlen die Hochöfen im Gegenlicht der Gruben, aus denen Kanarienvögel verstummend fliehen, gewahr und angesichts der Katastrophe, die bis heute wehrt. Ein Genuss ohnegleichen!
Stephan Wolf
Veröffentlicht: 07/2016