„At Saint Thomas The Apostle Harlem“
(Intravenal Sound Operations/Indigo)
Knapp zehn Jahre Albumpause, aber eine Rückkehr mit Paukenschlag: Diamanda Galás zeigt mit zwei neuen Alben, dass das kreative Feuer noch heftig in ihr lodert. Statt explizit politischer Agenda hat die Extremvokalistin auf „All The Way“ und „At Saint Thomas The Apostle Harlem“ Neuinterpretationen aus Jazz, Folk, Country und Chansons auf dem Zettel. „All The Way“ trägt den Titel eines gleichnamigen Sinatra-Songs. Wo Sinatra eine süßliche Liebesballade schmachtete, schweben bei Galás‘ radikaler Verwandlung düstere Wolken über dem Liebesglück. „The Thrill Is Gone“ sang Galás bereits auf „Malediction And Prayer“, doch gleicht die Version auf „All The Way“ mit dem jazzigen Klavierspiel und schier endlosen Vokal-Improvisationen in keinerlei Weise dem damaligen Ansatz. „O Death“ in zwei ehrfurchtseinflößenden Fassungen ist das verbindende Element der beiden Alben. Während „All The Way“ aber Studio- und Liveaufnahmen vermischt, ist „At Saint Thomas The Apostle Harlem“ ein reines Livealbum mit Konzept. In neun Death und Suicide Songs arbeitet sich Galás an der zerstörerischen und vergänglichen Seite der Liebe ab, basierend auf Gedichten und Songs von Cesare Pavese, Ferdinand Freiligrath, Jacques Brel oder Albert Ayler. Untermalt von ihrem imposanten Klavierspiel kreischt, schnattert, zetert und brilliert sich das Enfant terrible des Goth fünfsprachig durch die Lieder. Und zeigt in „Verrà La Morte E Avrà I Tuoi Occhi“, dass sie nicht nur ihre Stimme zum Extrem bewegen kann, sondern über wahres Gesangstalent jenseits aller Vorstellungskraft verfügt. Beeindruckend, aber fordernd zugleich! Diese Alben sind keine leichte Kost, sondern ein Festmahl, das mit aller Aufmerksamkeit und Hingabe genossen werden muss!
Torsten Schäfer
Veröffentlicht: 04/2017
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