(Meta Hari Records/Kobalt/Rough Trade)
Mancher munkelt, die beste David Lynch-Platte stamme von Chrysta Bell. Mit der Sängerin aus Iowa hatte dieser 2011 nämlich das Album „This Train“ produziert, das um einiges verführerischer war als seine eigenen Arbeiten. Eine naheliegende Kombination, denn Bell sang wie Julee Cruise in „Twin Peaks“ und sah aus wie Laura Elena Harring in „Mulholland Drive“. Musikalisch emanzipiert sie sich nun aber vom großen Meister und ließ ihren Zweitling von PJ Harvey-Produzent John Parrish betreuen. Außerdem im Studio: Adrian Utley von Portishead – vermutlich verantwortlich für den düster-gebrochenen Torch-Song „Half Asleep“, wo sich die Amerikanerin in bester Beth Gibbons-Manier durch die Strophen waidwundet. Und doch ist „We Dissolve“ in gewisser Weise ein wiewohl laszives und brokatschweres Rock-Album, das mit „Heaven“ oder „Beautiful“ gitarrige Shuffles mit Hang zum Unsanften aufbietet oder bei „Slow“ klingt, als wäre Shirley Bassey im Begriff, den Dreh zu The Doors’ „Break On Through“ zu bekommen. Dream-Pop-Schmeichler mit roten Samtvorhängen im Sinn fehlen aber auch hier nicht, wenn Bell hauchend von den Verfehlungen eines oft fremdbestimmten Lebens erzählt. Was sie jedoch nur am Rande tangieren dürfte: Schließlich praktiziert die gute Frau nicht nur transzendentale Meditation, sondern glaubt auch an Wiedergeburt. Wie David Lynch, natürlich. Wir glauben dagegen einfach mal, dass uns „We Dissolve“ noch länger begleiten wird.
Thomas Pilgrim
Veröffentlicht: 07/2017