Die Macher rund um Festival-Chef „Bläcky“ Schwarz waren jedoch von Anfang an überzeugt, dass sich das Event etablieren würde und hatten vor allem den nötigen langen Atem, um ihre Vision Wirklichkeit werden zu lassen. Allein schon für die Auswahl des Ortes und Veranstaltungsgeländes im Vorfeld des ersten Festivals hatte man sich viel Zeit gelassen. Alles richtig gemacht, kann man da nur sagen, denn der terrassenartig aufgebaute Stadtpark auf dem Goldberg besticht mit einem unvergleichlichen Charme, der viel zur Gesamtatmosphäre der Veranstaltung beiträgt. Ein weiteres Geheimnis des Festival Mediaval ist seine kongeniale Musikauswahl. Zwar trägt man irgendwie das Mittelalter im Namen, doch wurde dieser Begriff von Anfang an eher breit interpretiert.
In Selb gibt es nämlich nicht nur die übliche, sackpfeifenlastige Marktmusik zu hören, sondern auch jede Menge Folk und man ist auch aufgeschlossen für härtere und sogar elektronische Klänge. So findet sich Jahr um Jahr für jeden Geschmack etwas und wenn das Bühnengeschehen gerade einmal nicht nach dem persönlichen Gusto ist, genießt man einfach das umfangreiche Rahmenprogramm.
Gaukler, Akrobaten und Walking Acts sorgen für beste Unterhaltung auf dem weitläufigen Gelände, Wettkämpfe wie Bogenschießen oder Highland-Games laden zum vergnüglichen Kräftemessen ein oder man besucht einen der angebotenen Workshops, um sich etwa an verschiedenen Instrumenten, in der Kunst des Poi-Spielens, der Kontaktjonglage oder des Tanzens fortzubilden. Wessen Säckel gut gefüllt ist, der kann natürlich auch einen ausgedehnten Einkaufsbummel auf dem mit einem reichhaltigen Angebot aufwartenden Markt unternehmen.
Seit einigen Jahren steht das Festival Mediaval in jedem Jahr unter einem besonderen musikalischen Motto. Nach den Ausflügen in nordische und keltische Gefilde stand in diesem Jahr die Musik des Balkans besonders im Fokus. Bands wie Irfan (BUL), Romengo (HUN), Dikanda (POL) oder BerlinskiBeat (DEU) brachten den Besuchern die Lebensfreude und die zum Teil feurigen Rhythmen dieser Region näher und wurden dafür euphorisch gefeiert. Ein ganz besonderes Highlight war der Auftritt der Violons Barbares. Was nur drei Leute mit einer mongolischen Pferdekopfgeige, einer bulgarischen Gadulka (14-saitige Geige) und reichhaltigem Schlagwerk für einen Alarm auf der Bühne machen können, ließ reihenweise die Münder offen stehen und sorgte für zu Recht für frenetischen Beifall.
Beginnend mit dem wunderbar atmosphärischen Akustik-Eröffnungskonzert von Almara am Donnerstag in der nahegelegenen Kirche über den Auftritt der Szene-Urgesteine Estampie bis zu den Lokalmatadoren Grex Confusus kamen jedoch auch die Liebhaber mittelalterlicher Klänge voll auf ihre Kosten. Folkfans freuten sich über die energiegeladenen Performances von Faey, Purpur und Omnia. Die Niederländer feierten auf dem Mediaval ihr 20jähriges Bühnenbestehen mit einem ganz besonderen Konzert, bei dem neben dem Kontaktjonglage-Meister Kelvin Kalvus auch Ex-Bandmitglied Joe Hennon als Special Guest mit auf der Bühne stand. Und dies war nicht das einzige Jubiläumskonzert. Auch die Mittelalter-Elektroniker von Qntal sind schon seit 25 Jahren im Geschäft und zelebrierten dies mit einer einmaligen Show, bei der neben hochkarätigen Gastmusikern und Feuerkünstlern auch lebende Eulen auf der Bühne zu bewundern waren. Ob die Nachtgreifvögel dem Ganzen etwas abgewinnen konnten, darf bezweifelt werden, doch sie ließen, allen voran „Socke“ auf dem Arm von Sängerin Sigi Hausen, das Spektakel mit majestätischer Ruhe über sich ergehen. Visuell beeindruckend war mit Sicherheit auch der bluttriefende Auftritt der Industrial-Elektronik-Tempelritter von Heimataerde, die zusammen mit den russischen Folkmetallern von Grai in diesem Jahr für den härteren Teil zuständig waren.
Traditionell wird auf dem Festival Mediaval jedes Mal auch ein Nachwuchs-Preis in den Sparten „Spielmann“ und „Mittelalter-Rock“ vergeben. In diesem Jahr hatten Waldkauz und Fuchsteufelswild in den jeweiligen Kategorien die Nase beim Rennen um die Gunst von Jury und Publikum vorne und dürfen damit im nächsten Jahr auf einer der großen Bühnen wiederkehren.
Den gelungenen Schlusspunkt setzten am Sonntagabend die fränkischen Party-Folker Fiddler’s Green, die den Goldberg zum Abschied noch einmal so richtig zum Beben brachten.
Auch die neunte Ausgabe des Festival Mediaval war wieder ein gelungenes Wochenende mit jeder Menge toller Musik, spannenden Begegnungen und in diesem Jahr auch allerbestem Wetter. Kein Wunder, dass die Besucherzahlen sprunghaft in die Höhe schnellten. 19000 fanden in diesem Jahr den Weg nach Selb. Man darf gespannt sein, ob das Jubiläumsfestival im nächsten Jahr das noch einmal toppen wird. Die Voraussetzungen sind nicht schlecht, denn für den runden Geburtstag lassen es die Macher so richtig krachen. Unter dem Motto „back to the roots“ wird 2017 nicht nur drei sondern gleich vier Tage lang gefeiert. Dafür wurden ausschließlich Bands verpflichtet, die in den ersten beiden Jahren des Festivals dabei waren. Man darf sich freuen über ein Wiedersehen mit Corvus Corax, Faun, Rapalje, Omnia, Des Teufels Lockvögel, Elfenthal, Lurte, Daemonia Nymphe, The Moon and the Nightspirit, Dunkelschön, Amber und vielen anderen. Als besonderes Schmankerl werden dazu auch noch In Extremo erstmals als Headliner den Goldberg rocken!
Text und Fotos: Florian Hessler