Crimer „Leave Me Baby“
(Muve Recordings)
Kann einem durchaus zur Ehre gereichen: die erste Single wird für von Depeche Mode stammend gehalten. So geschah es Alexander Frei alias Crimer mit „Brotherlove“. Ganz abwegig war der Gedanke ob des achtziger-aktiven, elektronischen Klopfers mit dem sehnsuchtsvollen Gesang in der Tat nicht. Im Albumopener „Coward“ erinnert Frei mit angeschrägten Post-Punk-Gitarren jedoch eher an Drangsals Max Gruber, als dieser erstmals mit „Allan Align“ auf sich aufmerksam machte. Schon nach kurzer Zeit ist also klar: „Leave Me Baby“ huldigt überdeutlich dem einflussreichsten, aber oft auch käsigsten Jahrzehnt der Popmusik. Mit jeder Menge Hall auf den Handclaps respektive den in der Waschküche stehenden Rhythmusmaschinen – und wenn Dave Gahan stimmlich gleich mehrmals grüßt, macht das Schmachtern wie „Tell The Fire“ oder „Record Collection“ köstliche kleine Hits, die der gefeierten Auskopplung in nichts nachstehen. Wer möchte, kann im vollmundigen „Hours“ gar die Melodieführung des elektrifizierten Indie-Rockers „Same Emotions“ von Strand Of Oaks entdecken – ob es sich um Zufall oder Absicht handelt, lassen wir einmal dahingestellt und verbuchen den perfiden Ohrwurm als weiteres Highlight von „Leave Me Baby“. Ein trostreiches Album für alle, die am Ende immer von allen und jedem verlassen werden – nur nicht von der Musik.
Thomas Pilgrim
Rezension aus Sonic Seducer, Ausgabe 03/2018.